Das seit Monaten heftig diskutierte und bis zuletzt umstrittene Klimaschutzprogramm der Bundesregierung ist beschlossen. Es enthält eine Fülle neuer Regelungen und Förderungen. Ziel ist, die deutschen Klimaziele im vorgesehenen Zeitraum zu erreichen. Das detailreiche Programm hat der stellvertretende Vorsitzende von Haus & Grund Bad Godesberg, Dr. Wilhelm Hemmerde, aus dem Blickwinkel der privaten Immobilieneigentümer durchgesehen, gelesen und bewertet.

Haus & Grund aktuell: Herr Dr. Hemmerde, sind Sie  mit dem Klimaschutzprogramm, das für die Bundesrepublik Deutschland gelten wird, zufrieden?

Hemmerde: Das Klimaschutzprogramm der Großen Koalition ist ein Kompromiss. Das Gesetz umfasst eine Fülle von Ansatzpunkten, mit denen Verbesserungen für die Umwelt und die Klimaentwicklung entsprechend der Zielsetzungen der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland erreicht werden sollen. Unter dem Strich kann man feststellen: Das Programm bietet große Chancen für den Wohnungsmarkt, für Neubau und für Modernisierung. Ich bin zufrieden.

Haus & Grund aktuell: Sie betrachten die Regelungen aus der Perspektive der Hauseigentümer. Wie bewerten Sie das das Gesamtpaket?

Hemmerde: Aus Sicht des Immobilienmarktes ist das Maßnahmenbündel für den Sektor „Gebäude“ zu begrüßen. Kernpunkte sind eine steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung und direkte Investitionszuschüsse und Austauschprämien für Heizungsanlagen. Von diesen Maßnahmen profitieren Eigentümer und Mieter gleichzeitig.

Haus & Grund aktuell: Was betrachten Sie als Herzstück des Programms?

Hemmerde: Zentrale Maßnahme ist die Einführung einer attraktiven, einfachen und technologieoffenen steuerlichen Förderung energetischer Gebäudesanierungsmaßnahmen. Die steuerliche Förderung selbstgenutzten Eigentums soll ab dem Jahr 2020 in Ergänzung zur bereits jetzt existierenden Förderkulisse als weitere Säule der Förderung eingeführt werden. Durch einen Abzug von der Steuerschuld wird gewährleistet, dass Gebäudebesitzer aller Einkommensklassen gleichermaßen von der Maßnahme profitieren.

Haus & Grund aktuell: Was wird gefördert?

Hemmerde: Gefördert werden alternativ zur Inanspruchnahme sonstiger Förderprogramme Einzelmaßnahmen, die auch in den bestehenden Programmen der Gebäudeförderung als förderwürdig eingestuft sind. Hierzu zählen Einzelmaßnahmen wie insbesondere der Heizungstausch, aber auch der Einbau neuer Fenster oder die Dämmung von Dächern und Außenwänden.

Haus & Grund aktuell: Wieviel ist förderfähig?

Hemmerde: Förderfähig sind 20 Prozent der Investitionskosten; die Förderung erfolgt über einen Abzug von der Steuerschuld verteilt über drei  Jahre, z. B. beim Ersatz alter Fenster durch moderne Wärmeschutzfenster.

Haus & Grund aktuell:Fenster, die  auch noch einen besseren Schutz gegen Wohnungseinbrüche bieten?

Hemmerde: Die meisten modernen Fenster haben auch einen erhöhten Widerstand gegen gewaltsames Eindringen. Aber zurück zur Förderung: Wer weiterhin die bisherige Förderung nutzen möchte bekommt dort zukünftig eine um 10 Prozentpunkte erhöhte Förderung für Einzelmaßnahmen. Hiermit meint der Gesetzgeber z.B. das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, die Marktanreizprogramme (MAP), APEE und HZO –  und die neue Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG),.

Haus & Grund aktuell: Sind die Fördermaßen zeitlich limitiert?

Hemmerde: Der Zeitraum der Umsetzung für die Investitionen liegt in den Jahren 2020-2030.

Haus & Grund aktuell: Ein Wort zu der neu konzipierten Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Was ist darunter zu verstehen?

Hemmerde: Hier werden die bestehenden investiven Förderprogramme im Gebäudebereich zu einem einzigen, umfassenden und modernisierten Förderangebot gebündelt und inhaltlich optimiert. Die genauen Ausführungsbestimmungen mit allen Details will die Bundesregierung bis zum 20. Dez. 2019 vorlegen. Dann können wir genaueres zu den Einzelheiten sagen.

Haus & Grund aktuell: Wo liegen die Vorteile?

Hemmerde: Damit werden die Adressatenfreundlichkeit und Attraktivität der Förderung deutlich gesteigert, diese noch stärker auf ambitioniertere Maßnahmen gelenkt und die Antragsverfahren deutlich vereinfacht.

Haus & Grund aktuell: Also nicht noch mehr Bürokratie?

Hemmerde: Die ist nicht zu befürchten. Es soll nur noch ein Antrag für die Förderung von Effizienzmaßnahmen und Erneuerbare Energien bei Sanierungs- oder Neubauvorhaben genügen. Die Mittelausstattung des Programms wird erhöht.

Für umfassende Sanierungen zu einer Effizienzhausstufe im Bereich Wohngebäude werden die Fördersätze um jeweils 10 Prozentpunkte erhöht. Im Rahmen der BEG einschließlich der KfW-Förderung wird dafür gesorgt, dass die Investitionen weiterer Adressaten durch Zuschüsse gefördert werden können (z. B. steuerbefreite Wohnungsgenossenschaften; Wohnungsunternehmen mit hohen Verlustvorträgen; Personen ohne oder mit nur geringer veranlagter Steuerschuld wie z. B. Rentner; Vermieter; Eigentümer eigenbetrieblich genutzter Gebäude).“

„Entlastung der Bürger und Anreize für umweltbewusstes Verhalten sind zu begrüßen“.

Haus & Grund aktuell:Umstritten sind die Einnahmen des Staates aus dem Klimapaket. Es besteht die Sorge, sie versickern im Bundeshaushalt zur Finanzierung anderer öffentlicher Aufgaben.

Hemmerde: Die Einnahmen aus dem Klimaschutzprogramm 2030 haben nicht das Ziel, zusätzliche Einnahmen des Staates für andere Zwecke zu erzielen. Alle zusätzlichen Einnahmen aus diesem Programm werden daher in die Klimaschutzfördermaßnahmen reinvestiert oder in Form einer Entlastung den Bürgern zurückgegeben.

„Investieren statt konsumieren“.

Eine Entlastung des Bürgers ist selbstverständlich zu begrüßen. Richtig ist deshalb der Weg der Bundesregierung, die Förderung des umweltbewussten Verhaltens und der Investitionen in umweltfördernde Technologie in der Wirtschaft und bei den Privaten in den Mittelpunkt zu stellen. Der Leitgedanke muss sein, zu investieren statt zu konsumieren. Die Einnahmen aus einer Umweltabgabe müssen deshalb so schnell wie möglich konsequent dazu genutzt werden, um verschiedenste Investitionen in klimafreundliche Umweltmaßnahmen zu fördern.

Haus & Grund aktuell: Können Sie das an einem Beispiel erläutern?

Hemmerde: Besonders interessant für Hauseigentümer: Um die Austauschrate von Ölheizungen zu erhöhen, wird eine „Austauschprämie“ mit einem Förderanteil von bis zu 40 Prozent für ein neues, effizienteres Heizsystem in die BEG integriert werden. Ziel des neuen Förderkonzepts ist es, für alle derzeit mit Heizöl betriebenen Heizungen einen attraktiven Anreiz zur Umstellung auf erneuerbare Wärme, oder, wo dies nicht möglich ist, auf effiziente hybride Gasheizungen, die anteilig EE einbinden, zu geben. Wir müssen abwarten, welcher Kreis der Altanlagen in die Maßnahme einbezogen wird. Es lohnt sich damit, in den kommenden Jahren beispielsweise von alten Öl- und Gasheizungen auf klimafreundlichere Anlagen oder direkt auf erneuerbare Wärme umzusteigen.

Haus & Grund aktuell: Bei Hauseigentümern hat die Nachricht für Diskussionen gesorgt, ab 2026 dürften keine Ölheizungen mehr eingebaut werden.

Hemmerde: Richtig ist, die Bundesregierung wird eine gesetzliche Regelung vorlegen, wonach in Gebäuden, in denen eine klimafreundlichere Wärmeerzeugung möglich ist, der Einbau von Ölheizungen ab 2026 nicht mehr gestattet ist. Im Neubau und Bestand sind Hybridlösungen aber auch künftig möglich.

„Wohngeld für Mieter wird um 10 Prozent erhöht“

Haus & Grund aktuell: Investitionen von Vermietern bedeuten in aller Regel auch höhere Mieten. Welche Auswirkungen hat das Programm auf Mieterinnen und Mieter?

Hemmerde: Investitionen in den Immobilienbestand bedeuten zunächst eine Verbesserung der Bausubstanz und in vielen Fällen damit auch eine Verbesserung der Wohnqualität, von der ein Mieter profitiert. Vermieter dürfen diese Investitionskosten nicht generell, sondern nur in bestimmten Fällen und über Zeit verteilt an die Mieter weitergeben. Um negative Auswirkungen für die mittleren und unteren Einkommensschichten zu vermeiden, werden im Klimapaket deshalb die vorgesehenen Maßnahmen flankiert durch Änderung beim Wohngeld und beim Mietrecht. Zur Vermeidung sozialer Härten bei steigenden Heizkosten werden Wohngeldbezieher durch eine Erhöhung des Wohngeldes um 10 Prozent unterstützt.

Darüber hinaus werden Änderungen im Mietrecht geprüft, die eine begrenzte Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisung vorsehen. Dies führt nach dem Willen der Bundesregierung zu einer doppelten Anreizwirkung: Mieter werden angeregt, sich energieeffizient  zu verhalten und für Vermieter lohnen sich Investitionen in klimaschonende Heizungssysteme bzw. energetische Sanierungen.

Erhöhte Energiekosten werden bei den Transferleistungen bereits nach den festgelegten Verfahren berücksichtigt.

Haus & Grund aktuell: Wie bewerten Sie die begrenzte Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisung im Mietrecht“

Hemmerde: Das ist ein Knackpunkt. Die Pläne für eine begrenzte Umlagefähigkeit der CO2-Bepreisung im Mietrecht wird voraussichtlich gerade nicht zu einer beabsichtigten und im Klimapaket immer wieder angeführten Veränderung des energieeffizienten Heizverhaltens führen. Hier sollte Klimaförderung wichtiger sein, denn Mieter bestimmen über ihr Heizungsverhalten schließlich selbst. Was Mieter verantworten müssen und an Kosten erzeugen darf nicht auf die Hauseigentümer abgewälzt werden. Zu den Verbrauchern zählen selbstverständlich alle, die Energie verbrauchen und Ihren Energieverbrauch selbst aktiv steuern können. Nur durch gemeinsames Handeln aller Beteiligten kann Klimaschutz wirklich gelingen.

Haus & Grund aktuell: Herr Dr. Hemmerde, wir danken Ihnen für das Gespräch. Die Fragen stellte Friedel Frechen.